Dortmund-Innenstadt, „Grafenhof 2018“ (FP 494.003) (Feb. – März 2019)
Frühmittelalter / Stadtarchäologie
Auf einer Fundstelle im Innenhof des Gesundheitsamtes in Dortmund ließen sich bei schwierigen Wetterverhältnissen und trotz massiver Störungen durch jüngere Bodeneingriffe und laufende Baumaßnahmen neun merowingerzeitliche Gräber dokumentieren. Mit ihnen stellen sich neue Fragen zur fränkischen Präsenz, zur Adelsbildung und zum Beginn der Christianisierung am Hellweg sowie zur und Siedlungsentwicklung des frühen Dortmunds.
Die Gräber gehören zu einem mehrperiodigen Gräberfeld (‚Dortmund-Südwest‘) mit mehreren Belegungsarealen, in denen unterschiedliche Grabformen, Belegungsstrukturen und Zeitphasen vorliegen. Seine Ausdehnung umfasst ca. 165 m in Südost-Nordwest-Richtung und ca. 125 m in Südwest-Nordost-Richtung. Auf dem locker belegten Areal der aktuellen Grabung dominieren west-ost-ausgerichtete Kammergräber mit hölzerner Wandverkleidung (Typ Spundbohlenkammer) aus der Zeit um 600 bzw. der 1. Hälfte des 7. Jahrhunderts. Die räumliche Nähe dieses merowingerzeitlichen Friedhofes zur hochmittelalterlichen, heute nicht mehr erhaltenen Martinskapelle legt nahe, dass nach seiner Gründung als separater Bestattungsplatz vermutlich zunächst ein hölzerner kirchlicher Bau errichtet wurde, dem später die bekannte Kapelle folgte.
Interessant ist die Frage, in welchen sozialen und historischen Kontext die merowingerzeitlichen Bestattungen einzubetten sind. Aufgrund der verkehrsgünstigen Lage des Hellwegraumes zwischen dem Fränkischen Reich und Thüringen finden sich hier nach der Mitte des 6. Jahrhunderts zahlreiche fränkische Sitten und Waren, in Burgen an Ruhr und Diemel residierte eine fränkische Oberschicht. Allerdings scheint Südwestfalen ähnlich wie Südwest- und Süddeutschland auch gegen Ende des 7. Jahrhunderts der fränkischen Krone entglitten zu sein. Eine volle (Wieder-) Eingliederung in das Frankenreich wurde erst durch die Sachsenkriege Karls des Großen erreicht. Daher ist das Gräberareal FP 494.003 ein neuer wichtiger Mosaikstein für die historische Bewertung merowingerzeitlicher fränkischer Präsenz in Südwestfalen.
Der Friedhof lag in knapp 600 m Entfernung zu der zugehörigen zeitgleichen Siedlung, getrennt durch eine Ackerflur. Diese typische „Reihengräberfeldlage“ mag auf Vorstellungen vom Totenreich als Parallelwelt, vielleicht auch bis zu einem gewissen Grade auf Totenfurcht beruhen und steht im Gegensatz zu den hochmittelalterlichen und späteren Kirchhöfen.
Der entscheidende Unterschied von ‚Dortmund-Südwest‘ zu den weiteren bekannten frühgeschichtlichen Gräberfeldern am Nordhang des Dortmunder Rückens (DO-Wickede, DO-Asseln) ist, dass im Zuge grundlegender Umstrukturierungen im beginnenden 9. Jahrhundert von dem Areal des Friedhofes eine Wohnparzelle abgetrennt wurde. Ursache war die Gründung des Königshofes (curtis regia) im wasserreichen Quellbereich der Kukelke, wodurch der bisher dort gelegene Haupthof (Schultenhof?) der Siedlung auf das neu geschaffene Grundstück verlegt werden musste. Weitere Höfe wurden in neue Einzelhofsysteme im Bereich der bisherigen Dortmunder Ackerflur südlich des Hellweges umgesiedelt. In späterer Zeit befand sich der für die Grabung namengebende Grafenhof auf der beschriebenen Großparzelle, die auch die o.g. Martinskapelle mit einschloss. Die hoch- bis spätmittelalterlichen Siedlungsspuren, die neben den frühmittelalterlichen Gräbern im Areal FP 494.003 freigelegten werden konnten, gehören vermutlich zu einer Hausstelle, die in einer Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1255 an die Martinskapelle genannt wird.
Rheine, Schultenstraße-Ost, Teilfläche A (Feb. – Apr. 2019)
Frühmittelalter / Siedlungsarchäologie
Eine von der LWL-Archäologie für Westfalen, Außenstelle Münster durchgeführte Baggerprospektion lieferte im Oktober 2018 erste Hinweise, dass sich im Bereich einer geplanten Bebauung an der Schultenstraße in Rheine spannende Erkenntnisse über die Bewohner dieses Ortes gewinnen lassen.
Die Anfang 2019 durchgeführte Ausgrabung sollte diese Erwartung nicht enttäuschen: die Archäologen entdeckten einen zweiphasigen frühmittelalterlichen Hausgrundriss, der wahrscheinlich einst ein Vorgängerbau des historisch bekannten Schultenhofes Bentlage war.Bereits nach dem Oberbodenabtrag zeigten sich neben einer Vielzahl weiterer Befunde im hellen Sandboden die großen runden und zum Teil fast schon eckigen Pfostengruben, welche durch ihre dunkelgraue Farbe gut zu erkennen waren. Allerdings fiel auf dem unter Einsatz einer Drohne gemachten Foto direkt eine Besonderheit auf, denn statt einer Pfostenreihe für jede Hausseite fanden sich hier an einigen Stellen gleich zwei. Im Verlauf der archäologischen Untersuchung stellte sich dann heraus, dass der Hausgrundriss mehrphasig ist. Die Pfosten des Hauses wurden also im Laufe der Zeit erneuert oder das gesamte Gebäude sogar noch einmal neu errichtet. Dass an dieser Stelle vor mehr als 1000 Jahren ein Haus gestanden hat, konnte anhand der Form des Hausgrundrisses und durch die Analyse des keramischen Fundmaterials bestimmt werden. Auch historische Karten und Schriftquellen erwähnen einen Hof mit Namen Bentlage, der dem Stadtteil von Rheine später seinen Namen gab. Zu den interessantesten und zugleich beeindruckendsten Befunden der Ausgrabung an der Schultenstraße zählt eine große Grube, in der sich die Kiefer, Knochen und Schädel von mehreren Rindern befanden. Offenbar wussten die Bewohner des Hofes schon weit vor unserer Zeit die Schmackhaftigkeit eines Rinderbratens zu schätzen.
Paderborn, „Springbach Höfe“ (Jan. – Nov. 2018)
Früh- und Hochmittelalter / Siedlungsarchäologie
Im Osten der Stadt Paderborn soll in den kommenden Jahren an den „Springbach Höfen“ ein gänzlich neues Stadtviertel entstehen – auf insgesamt rund 21 Hektar Fläche. Die heutigen bauwilligen Paderborner stehen dabei in langer Tradition: Dieses Areal war auch in der Vergangenheit immer wieder ein attraktiver Siedlungsplatz. Die ältesten Spuren reichen bis zu 6000 Jahre zurück: Schon im Endneolithikum lockten das nahe Wasser des nahen Springbaches und die fruchtbaren Böden am Rande der Paderborner Hochfläche für Ackerbau und Viehzucht.
Neben den steinzeitlichen, bronzezeitlichen und kaiserzeitlichen Nachweisen sind aber vor allem die Spuren mittelalterlicher Gehöfte mit Haupt- und Nebengebäuden gut erhalten, weil jegliche Gruben (Pfostenlöcher, Grubenhäuser, Keller) in den anstehenden Fels eingeschlagen werden mussten. Schon für das 9. Jahrhundert konnte ein Hof mit einem ost-west-ausgerichteten Hauptgebäude sowie einem rund 12 m² großen Grubenhaus, das eine für den harten Untergrund beeindruckende Tiefe von bis zu einem Meter aufwies, festgestellt werden. Im 11. Jahrhundert hatten dann die Bewohner mehrerer Bauernhöfe mit Wohn-, Wirtschaftsgebäuden und Öfen zur Metallverarbeitung einen guten Ausblick von der Anhöhe auf die noch unbefestigte Bischofsstadt Paderborn. Die Nähe hierzu sowie zu den großen regionalen Handelswegen (u.a. dem Hellweg) gab ihnen die Möglichkeit, durch Warenaustausch zu erstaunlichem Wohlstand zu gelangen. Hiervon zeugen neben der Größe der Gebäude (Grubenhaus mit rund 25 m² Innenfläche; große, mehrphasige Keller mit Zugangstreppen, Eingangstüren und Wandverblendungen aus einschaligen Kalksteinmauern) vor allem die Funde: Importkeramik aus dem Rheinland, feiner Bronzeschmuck, Toilettbestecke aus feinem Knochenkamm, Pinzette und Ohrlöffel oder auch silbertauschierte Beschläge und Pferdezaumzeug. Ein jähes Ende fand der kleine hochmittelalterliche Weiler am Übergang zum 12. Jahrhundert durch einen verheerenden Brand, von dem mächtige Brandschuttschichten und zahlreiche feuergerötete Wandflächen zeugen. In der Nachfolge zog sicherlich die nahe Stadt Paderborn mit ihrem Schutz und anderen Annehmlichkeiten die Menschen an, so dass das Gelände nicht mehr flächig bebaut wurde – bis zu seiner Wiederbelebung im Jahr 2018.
Die Dokumentation der riesigen Flächen dieses Ausgrabungsareals erfolgte unter Einsatz der Drohne, wodurch sich naturgemäß Gebäudegrundrisse besonders gut erkennen ließen. Der Einsatz von Structure from motion (Sfm) ließ außerdem die aufwändig in den Boden eingetieften Keller und Grubenhäuser als 3D-Modell „begehbar“ werden – und die Strukturen und Tiefen der Pfostengruben ganzer Speicher von allen Seiten sichtbar.
Das Museum in der Kaiserpfalz in Paderborn präsentiert derzeit die Ergebnisse und Funde der Ausgrabung in einer ersten kleinen Ausstellung. Eine umfassende Publikation ist in Vorbereitung.
Bielefeld, „Alter Markt“ (Mai – Nov. 2017)
Hochmittelalter / Stadtarchäologie
Im Stadtkern Bielefelds boten die Bauplanungen des Bankhauses Lampe sowie der Altstadt Quartier GmbH & Co. KG südlich des Alten Marktes auf einer Fläche von über 1.300 m2 die Möglichkeit, neben seltenen Siedlungsspuren der späten Bronzezeit vor allem detaillierte Einblicke in den Zeitraum der Stadtgründung zu gewinnen. Das Areal liegt dabei in unmittelbarer Nähe zu der älteren Grabung ‚Welle‘ (2000-2002), was in der Kombination der Ergebnisse umfangreiche Aussagen zur Stadtentwicklung Bielefelds ermöglicht.
Der älteste Fund aus der Bielefelder Innenstadt, ein fein bearbeitetes Federmesser aus Feuerstein, zeugt davon, dass in der Altsteinzeit hier auf den Sandablagerungen unweit des Bohnenbaches Rentierjäger unterwegs waren. Bedeutend sind die keramischen Belege für eine Siedlung der späten Bronzezeit, da nicht nur in der Region Ostwestfalen-Lippe, sondern auch in ganz Westfalen jung- bis spätbronzezeitliche Siedlungsbefunde überaus selten sind. Mit ihnen ergibt sich ein erster Ansatzpunkt zur Identifizierung weiterer – mutmaßlich bisher in die Eisenzeit fehldatierter – Fundplätze.
Wie die Grabung ‚Welle‘ ergab, bestand schon vor 800 n. Chr. eine kleine sächsische Siedlung am Bohnenbach, die zwischen 826 und 876 als „Bylanuelde“ ersterwähnt wird. Als 1214 die Stadt Bielefeld durch Hermann II. von Ravensberg gegründet wurde, mussten die dörflichen Hofstellen einer neuen planmäßigen Stadtstruktur weichen, die zentrale Plätze, Haupt- und Nebenstraßen sowie die Einteilung rechteckiger Grundstücke beinhaltete. Auf der Grabung ‚Alter Markt‘ konnten nun auf mehreren Grundstücken die teilweise sehr komplexen Bauaktivitäten seit dem 13. Jahrhundert dokumentiert werden. Interessant sind dabei zum einen die erheblichen Unterschiede zwischen großen, zum Alten Markt ausgerichteten Hausstätten und einer deutlich kleinteiligeren regelmäßigen Grundstückseinteilung entlang der Piggenstraße. Zum Teil wurden manche dieser abgesteckten „Urgrundstücke“ in der Folge durch potente Käufer erworben und nach ihren Bedürfnissen zusammengelegt.
Auch die Bebauung lässt eine verschiedenartige Nutzung der Flächen erkennen. Die kleineren Hausstätten waren von ihren Bewohnern jeweils mit Brunnen, Latrine und einem straßenständigen teilunterkellerten Fachwerkhaus eng bebaut worden. Eine individuelle Nutzung wurde also offenbar einer Gemeinschaftseinrichtung wie einem Nachbarschaftsbrunnen vorgezogen. Auf den großzügigeren Grundstücken am Alten Markt standen hingegen feuerfeste Warenlager, sogenannte Steinwerke. Sie bezeugen, dass hier in verkehrsgünstig zentraler Lage Kaufleute lebten.
Besondere Funde sind Gussformen aus gebranntem Lehm, darunter eine Kreuzigungsgruppe. RFA-Analysen belegen, dass in den Formen Messing gegossen wurde (Messung: LWL-Archäologie für Westfalen/E. Müsch). Zusammen mit Schmelzresten von Kupfer-Arsen- bzw. Kupfer-Blei-Arsen-Legierungen lassen sie sich dem Goldschmied Lubbert de Wend zuordnen, der am Ende des 15. Jahrhunderts am Alten Markt 2, gegenüber dem Rathaus, tätig war.
Lippstadt, „Volksbank, BA 1“ (Apr. – Jun. 2019)
Hochmittelalter / Stadtarchäologie
Unweit der Nikolaikirche in Lippstadt (Ecke Spielplatzstraße/Cappelstraße) und damit im hochmittelalterlichen Stadtkern entstehen derzeit nacheinander verschiedene Gebäude der Volksbank Beckum-Lippstadt eG. Auf dem 350 m² großen ersten Baubschnitt konnten neben Spuren aus der frühen Marktsiedlung des 12. Jahrhunderts vor allem die Struktur und Nutzung eines neu entstehenden städtischen Grundstücks im 13. Jahrhundert dokumentiert werden. Hier begründeten Lederhandwerker eine kombinierte Schuhmacher-/Gerberwerkstatt.
Zahlreiche unterschiedlich große und tiefgreifende Bodeneingriffe früherer Baumaßnahmen auf dem gesamten Baufeld, Fundamentgruben und ein Teilkeller einer Vorgängerbebauung hatten nur verhältnismäßig wenige archäologische Befunde ungestört gelassen. Dennoch war es möglich, spannende Ergebnisse zu Grundstücksorganisation und Sozialstruktur im Zeitraum der Stadtwerdung in Lippstadt zu gewinnen.
Noch vor 1230 führte eine Erweiterung der 1185 von Bernhard II. zur Lippe gegründeten Stadt zur Entstehung von Straßenstrukturen und der Einteilung von Grundstücken auch in der dörflichen Struktur der Marktsiedlung. Das neue, zur Cappelstraße ausgerichtete und von der Spielplatzstraße flankierte Eckgrundstück befand sich in einer eher randlichen Lage der Stadt. Hier ließ sich eine Lederwerkstatt nieder, die in erster Linie Schuhe fertigte und ausbesserte. Der Nachweise von Gerberbecken zeigt, dass zusätzlich zur Weiterverarbeitung des Leders auch die Gerberei ausgeübt wurde, was in frühstädtischer Zeit durchaus üblich war, wie Vergleiche mit Einbeck oder Greifswald zeigen.
Angrenzend an die kombinierte Schuhmacher-/Gerberwerkstatt befand sich der Wohnbereich der Handwerkerfamilie. Ein west-ost-verlaufender Graben zur Straßenentwässerung, der mit hölzernen Einbauten gegen Bodenabtrag durch Fließwasser geschützt worden war, wurde möglicherweise auch von den Gerbern für die zahlreichen Spülvorgänge während der einzelnen Arbeitsprozesse genutzt.
Die Bebauungsspuren sowie Funde aus den Siedlungsschichten des 13. Jahrhunderts zeugen von einem guten Lebensstandard der Bewohner. Ihre hohe Wirtschaftskraft ermöglichte zudem den Wiederaufbau der Wohn- und Arbeitsgebäude nach einer Brandkatastrophe. Die kombinierte Werkstatt scheint also von ihrer verkehrsgünstigen Lage an der alten nord-süd-verlaufenden Handelsstraße (heutige Cappelstraße) profitiert zu haben
Minden, „Deichhof“ (Okt. 2019 – Jun.2020)
Hochmittelalter, Frühe Neuzeit / Stadtarchäologie
Im Vorfeld des von der Rudloff-Stiftung geplanten Neubaus eines Wohn- und Familienzentrums mit Tiefgarage auf dem Eckgrundstück Marienwall/Deichhof in Minden fanden 2019 und 2020 umfangreiche Untersuchungen auf der ca. 1.200 m² großen Fläche statt. Die Ausgrabungen erbrachten zum einen wichtige neue Erkenntnisse zur Besiedlungs- und Nutzungsgeschichte dieses unweit der Marienkirche gelegenen Areals. Zum anderen geben die äußerst gut erhaltenen Holzbefunde einen Eindruck davon, welcher zum Teil enorme technische Aufwand betrieben wurde, um eine ehemals feuchte Senke zu erschließen.
Die Fläche liegt in der tiefergelegenen Unterstadt, nördlich der mit Bistumsgründung Anfang des 9. Jahrhunderts eingerichteten Domimmunität im Bereich einer ehemals in Richtung Osten abfallenden Senke. Diese Senke liegt 100 m westlich des um 1000 auf einer Anhöhe gegründeten Marienklosters und wurde mit der Errichtung der Stadtmauer um 1230 in das Stadtgebiet einbezogen. Wohl aufgrund des ungünstigen Baugrundes lag das Gelände im Mittelalter lange brach. Selbst mit dem Einbezug in das Stadtgebiet um 1230 wurde das Gelände offenbar noch überwiegend als Freifläche genutzt. Um den Untergrund zu befestigen, wurden zunächst stark mit Stroh durchsetzte Mistschichten aufgetragen. Später wurden dann flächendeckend Matten aus Weidenruten verlegt. Stellenweise konnten bis zu drei Lagen solcher Weidenrutenmatten nachgewiesen werden. Neben ihrer Funktion als reine Oberflächenbefestigung fanden sich Weidenrutenmatten, die mulden- und senken förmige Eintiefungen ausgekleidet haben. Dazu zählt eine über eine Länge von mehr als neun Metern im Südosten der Fläche erfasste grabenähnliche, von Nord nach Süd verlaufende Konstruktion, die vermutlich als Viehtränke diente.
Mit dem Einbringen der ersten Weidenrutenmatten begann im Laufe des 13. Jahrhunderts die systematische Erschließung des Geländes. Von dem hohen Aufwand, mit dem die Grundstücke erschlossen wurden, zeugen vor allem die im Südosten der Fläche erfassten hölzernen Untergrundkonstruktionen, die einen für Westfalen bisher einmalige Befund darstellen. Der mit Weidenruten und einem Gerüst aus Birkenstämmen befestigte Bereich lag innerhalb eines Grundstücks, dessen nördliche und westliche Grenze erfasst werden konnten. Die nördliche Parzellengrenze stimmt noch mit der Darstellung im Urkataster überein. Hier entstand im 14./15. Jahrhundert ein Fachwerkgebäude, von dem sich Teile der Konstruktion sowie der Rest eines Fußbodens erhalten hatten.
Im Nordwesten der Untersuchungsfläche fanden sich ebenfalls Anzeichen für einen Bebauungsbeginn im 14. Jh. Diese stützt sich auf die dendrochronologische Datierung von Eichenpfosten, die zu einer hölzernen Substruktion für ein Bruchsteinfundament gehörten. Von Besiedlungsaktivitäten zeugen weiterhin Zäune, die vermutlich Grundstücksgrenzen darstellten, sowie die Überreste von Daubenfässern, die in den Boden eingelassen waren und Kloaken. Im Südwesten der Grabungsfläche wurde eine sich über mehrere Meter von West nach Ost erstreckende kanalähnliche Konstruktion aus Bohlen und Pfosten erfasst, die einen älteren Kanal, bestehend aus zwei parallel verlaufenden Faschinenreihen, ersetzte. Diese, vermutlich der Wasserentsorgung dienenden Konstruktionen, verliefen über eine Parzellengrenze, die bis in die Neuzeit hinein Bestand hatte.
Frühneuzeitliche Baubefunde fanden sich überwiegend im hangaufwärts gelegenen westlichen Bereich der Grabungsfläche. So ließen sich die Überreste eines wohl im 16./17. Jh. errichteten Gebäudes fassen, dessen aufwendig konstruierte Gründung aus einem Pfahlrost bestand, für das hunderte von Rundhölzern und Spaltbohlen in den Untergrund gerammt worden waren. Diese wurden von zwei über sechs Meter langen Balken gerahmt, die durch Querbalken miteinander verbunden waren. Weitere kleinere, von einer Hinterhofbebauung stammende Gebäudereste mit zum Teil erhaltener Innenpflasterung wurden im südlichen Randbereich der Fläche erfasst.
Zu den ältesten Funden zählen zwei eiserne Sporen aus dem 11. Jh. Ferner fand sich eine eiserne Schnalle mit verzinnter Oberfläche und palmettenartig gestaltetem Ansatz.
Neben dem keramischen Fundgut fand sich auch eine große Anzahl an Lederfragmenten, die sich in dem feuchten Milieu bestens erhalten hatten. Es handelt sich überwiegend um wendegenähte Schuhe. Die mehrheitlich durchgelaufenen Sohlen und Schnittreste zeugen davon, dass einst Abfälle eines Flickschusters hier auf der damaligen Freifläche deponiert wurden.
Ochtrup, „Bültstraße 19″(Aug. 2020 – Feb. 2021)
Mittelalter, Stadtarchäologie
In der nahe der niederländischen Grenze gelegenen Stadt Ochtrup machte ein geplanter Neubau mit Tiefgarage im nordöstlichen Randbereich des historischen Ortskerns eine archäologische Untersuchung notwendig. Das Areal liegt im Bereich der ehemaligen , aus Wall, Graben und zunächst zwei Toren bestehenden Befestigungsanlage, die ab 1593 während des Spanisch-Niederländischen Krieges errichtet wurde und gegen die immer wieder einfallenden spanischen und niederländischen Soldateska schützen sollte.
Bereits 2018 konnte auf der westlich anschließenden Fläche der Wall sowie ein mittelalterlicher Kulturhorizont nachgewiesen werden. Bei der aktuellen Grabung wurde nun u.a. der von Nord nach Süd verlaufende Graben erfasst. Darüber hinaus fanden sich im südlichen unmittelbar an die Bültstraße angrenzenden Randbereich der Fläche die aus Bruchsteinen errichteten, bis zu 1,80 m hoch erhaltenen Grundmauern eines rechteckigen Gebäudes, das in die Gräfte hineingebaut wurde, wobei die Fundamentunterkante dem Gefälle des Grabens folgt. Dieses Gebäude liegt in unmittelbarer Nähe des hier vermuteten Bülttores, das nach langwierigen Verhandlungen im Jahre 1596 als 3. Tor errichtet wurde. Im Inneren des Gebäudes fanden sich mehrere in die Grabenverfüllung gerammte massive Eichenpfosten, die zu einer vor der Errichtung des Gebäudes bestehenden Brückenkonstruktion gehört haben könnten. Ein im unmittelbaren Randbereich der Bültstraße erfasstes, von Ost nach West verlaufendes Bruchsteinfundament könnte ebenfalls mit diesem Tor in Zusammenhang stehen.
Im östlichen, außerhalb der Befestigung gelegenen Bereich der Fläche konnten trotz zahlreicher moderner Störungen mittelalterliche Siedlungsspuren erfasst werden, die mit der hier vermuteten ehemaligen Siedlung Dränke in Verbindung gebracht werden können. Diese bildete neben dem Ortskern mit der Pfarrkirche St. Lambertus einen zweiten Siedlungsschwerpunkt, der sich weiter in nordöstlicher Richtung erstreckte. Mit der Errichtung der Befestigungsanlage wurde diese Siedlung geteilt. Zu den Siedlungsbefunden gehört u.a. ein von Nordost nach Südwest verlaufender Sohlgraben, der noch einige Zentimeter tief erhalten war.
Aus der Verfüllung der Gräfte und einer künstlich abgegrabenen Senke im nordöstlichen Bereich der Fläche konnte eine hohe Menge an frühneuzeitlicher und neuzeitlicher Keramik geborgen werden. Dabei handelt es sich überwiegend um Malhornware, die in den ehemals zahlreichen in Ochtrup ansässigen Töpfereien hergestellt wurde. Unter den Funden befinden sich auch zahlreiche Fehlbrände, die darauf schließen lassen, dass die Töpfereien hier ihre Abfälle entsorgten. Der Anteil an mittelalterlicher Keramik ist gering, da ein Großteil des Siedlungshorizontes durch den Bau der Befestigungsanlage und flächendeckender Bodeneingriffe in jüngerer Zeit verloren gegangen ist.
Witten, „Drei Könige“ (Feb. – Nov. 2018)
Neuzeit / Industriearchäologie
Anfang 2018 hätte niemand vermutet, dass in Witten spektakuläre Relikte aus der Zeit des industriellen „take off“ Deutschlands zu finden wären, metertief begraben unter 180.000 Tonnen Schutt. Umso größer war die Überraschung als im Zuge der etwa 1,5 Hektar umfassenden archäologischen Untersuchungen, ein nahezu vollständiges Stahlwerk aufgedeckt werden konnte, dessen Fundamente um bis zu zehn Meter in die Tiefe reichten. Die Dokumentation der monumentalen Befunde erfolgte in Form von 3D-Modellen, die mittels Structure from motion erstellt wurden. Dazu wurden über 60.000 Fotos mit Handkameras und per Drohne aufgenommen.
Jan Jacob van Braam und Carl Ludwig Berger, zwei Pioniere der industriellen Entwicklung im Ruhrgebiet, gründeten hier im Jahr 1855 die Steinhauser Hütte, ein Stahl- und Walzwerk. Anfangs wurde der Stahl in Puddelöfen hergestellt. Zu den Erzeugnissen gehörten die Baustähle der Dombrücke, der ersten Eisenbahnbrücke Kölns, aber auch Produkte für den Bau der ersten deutschen Panzerschiffe. Bis zu seinem Ende im Zuge der Gründerkrise der 1870er Jahre wuchs das Unternehmen stetig. Zu den Puddelöfen gesellte sich eine Anlage, die Stahl mit moderneren Bessemerbirnen herstellte und schließlich auch ein Siemens-Martin-Stahlwerk. Alle diese Veränderungen, die praktisch alle wesentlichen Innovationen der Stahlerzeugung des 19. Jahrhunderts abbilden, haben auf dem vergleichsweise kleinen Areal umfangreiche archäologische Spuren hinterlassen. Mauerwerksverbände, Schornsteinstümpfe, Rauchgaszüge, Walzwerkfundamente und nicht zuletzt die Reste der Ofenanlagen, ergaben ein klares Bild der damaligen Arbeitswelt, das als Ensemble bisher weltweit einmalig ist.
Obwohl die archäologische Ausgrabung im November 2018 endete, bleibt dennoch viel zu tun. Ein Museum, das im Bereich der Keimzelle der Hütte angedacht ist, soll in Zukunft von den Arbeitswelten in der alten Stahlhütte berichten. Teil dieser Planungen ist auch, die während der Grabung zur Dokumentation erstellten 3D-Modelle für museale Zwecke aufzubereiten. Einen ersten Eindruck vermittelt das 3D-Modell des besterhaltenen Puddelofens, das hier als kurze Videosequenz in 4K präsentiert wird.
Westfalen, Großsteingräber (Juni 2020)
Vorgeschichte / Fotografische Dokumentation
Für eine geplante Videoinstallation des LWL-Museums für Archäologie Herne wurden insgesamt 14 Großsteingräber – verteilt über ganz Westfalen – fotografisch und im Film dokumentiert. Für Luftaufnahmen wurde unser Drohnensystem eingesetzt.